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Geschichte 1899 - 1933

1999 feierte der Ortsverein Eutingen des Deutschen Roten Kreuzes seinen hundertsten Geburtstag. Aus diesem Anlaß wollen wir einen Rückblick auf die Vereinsgeschichte und besonders auf die Gründungsjahre werfen, sowie wichtige Ereignisse der Vereinsgeschichte darstellen. In einem Rückblick auf hundert Jahre sieht der Betrachter, wie sich die Anforderungen der Gesellschaft an das Deutsche Rote Kreuz gewandelt haben. Da galt es vor einem Jahrhundert die einfachste Versorgung der Bevölkerung mit Hilfeleistungen in Erster Hilfe und Häuslicher Krankenpflege zu sichern, da kein Arzt in Eutingen niedergelassen war. So beschaffte das Rote Kreuz Geräte für die Krankenpflege und lieh sie an die Bevölkerung aus. Nach der Einführung der Pflegeversicherung wurden diese Aufgaben von einer Leistung des Vereins in einen Anspruch der Versicherten auf Leistungen umgewandelt. Da die Initiative zur Gründung der Sanitätskolonne vom Militär- und Kriegerverein ausging, war eine weitere Zielrichtung der Einsatz im Kriegsfall.

Diese gesellschaftlichen Änderungen hinterlassen auch im Roten Kreuz ihre Spuren. Vor hundert Jahren bestand die medizinische Versorgung vor Ort darin, dass der Friseur und Heilgehilfe Karl Enchelmayer (Bild) Knochen schiente, Wunden versorgte und nähte, Zähne zog und auch die Haare schnitt. Heute ist es für die Eutinger Bevölkerung selbstverständlich, dass eine ausreichende Zahl von Allgemeinmedizinern und Fachärzten in Eutingen niedergelassen sind und dass sich auch eine Apotheke im Stadtteil befindet.

Während im Bereich der Notfallmedizin die Professionalisierung weit fortgeschritten ist, hat sich durch den Wandel in der Gesellschaft im sozialen Bereich ein neues Aufgabenfeld ergeben. Dies wurde in Eutingen erkannt und durch die Sozialarbeit aufgegriffen. Die Menschen werden älter und dass sie dies in Würde und Gesundheit tun können, dafür will das Rote Kreuz mit seinen Programmen wie etwa "Bewegung bis ins Alter" beitragen. Das Deutsche Rote Kreuz hat eben nicht nur im Rettungsdienst und in der Ersten Hilfe seine Aufgabenfelder, sondern als Mitglied im Verband der freien Wohlfahrtspflege auch im sozialen Bereich.

In einer Festschrift zur Feier der goldenen Hochzeit ihrer Königlichen Hoheiten des Großherzogs Friedrich und der Großherzogin Luise von Baden am 20. September 1906 mit dem Titel "Geschichte des Badischen Frauenvereins" ist ein Kapitel dem Frauenverein Eutingen (Amt Pforzheim) gewidmet. Die Gründung von Frauenvereinen wurde von Großherzogin Luise stark gefördert. Aus ihnen gingen in vielen Orten die Rotkreuzortsvereine hervor. In Eutingen entwickelten sich die Dinge etwas anders. (Karl Heimerle hat in seiner Schrift " 100 Jahre Krankenpflege in Eutingen Geschichte des Frauenvereins Eutingen" erschienen als Sonderbeilage des Mitteilungsblattes für den Stadtteil Eutingen Nr. 11 vom 13.3.1998 diese Entwicklung sehr ausführlich geschildert). Deshalb ist die Gründung des Deutschen Roten Kreuzes nicht im Jahre 1897 in Eutingen erfolgt, sondern erst zwei Jahre später.

Im Protokollbuch der Sanitätskolonne Eutingen ist die Gründung leider ohne genaue Datumsangabe festgehalten. Es steht ohne Zweifel fest, dass die Gründung im Frühjahr 1899, spätestens Ende März, Anfang April erfolgte. Die Initiative ging von Rittmeister a.D. Adolf Maier aus Pforzheim aus. Er veranlasste den Eutinger Militär- und Kriegerverein, eine Sanitätskolonne zu gründen. Unter der tatkräftigen Leitung von Karl Enchelmayer, der schon in der Sanitätskolonne Pforzheim Dienst tat, entwickelte sich die Eutinger Rot-Kreuz-Arbeit. Im Jahre 1900 wurde ein Männerhilfsverein als Vorläufer des heutigen Ortsvereins vom Roten Kreuz gegründet. Die Gründung erfolgte am 17. November 1900. Durch die überaus erfolgreiche Arbeit der Sanitätskolonne erreichte damals der Verein eine Mitgliederzahl von 600, was eine sehr starke Akzeptanz des Vereins bei der Bevölkerung zeigte und gleichzeitig auch den Bedarf an Hilfeleistungen durch den Verein dokumentiert. Heute hat das DRK in Eutingen bei dreifach größerer Bevölkerungszahl 550 Mitglieder. Der Eutinger Verein war um die Jahrhundertwende einer der größten Rot-Kreuz-Vereine in Baden . Heute wünschen wir uns wieder im Verhältnis zur Einwohnerzahl solche Mitgliederzahlen. Das rechts stehende Bild zeigt die erste Seite des alten Protokollbuchs.

In einer Versammlung am 17. November1900 im Gasthaus zur "Stadt Pforzheim" zu der 60 Eutinger Bürger erschienen waren, wurden zunächst die Berichte über die bisherige Tätigkeit der Sanitätskolonne abgegeben und der Kolonnenführer meldete den aktuellen Bestand derselben. Die Versammlung beschloss nach kurzer Debatte, einen neuen Verein zu gründen. Vorgeschlagen war der Name "Sanitäts-Männerhilfsverein" in Eutingen.

Die praktische Ausbildung und die sachkundige Führung der Sanitätskolonne in Eutingen wäre nicht möglich gewesen, wenn nicht Karl August Enchelmayer im Jahre 1896 eine Ausbildung zum Heilgehilfen am Städtischen Krankenhaus in Karlsruhe absolviert hätte. Der Schriftwechsel zwischen der Krankenhausverwaltung und dem Auszubildenden bzw. dem Gemeinderat liegt teilweise noch im Original vor. Die Krankenhauskommission des Karlsruher Krankenhauses schreibt am 12. Mai 1896 dem Gemeinderat Eutingen: Wir erwidern auf das gefällige Schreiben vom 30. des Vormonats, dass wir die Unterweisung des Karl Enchelmayer im Anlegen von Verbänden im Städtischen Krankenhaus genehmigen. Für die Unterweisung wären 1Mk pro Tag zu entrichten. Vom 26. Mai bis 31. Juli 1896 war Herr Karl Enchelmayer in der Chirurgischen Abteilung und lernte dort, wie man Knochenbrüche schient und Verbände anlegt. Weil er Knochenbrüche mit Schindeln ruhigstellte, wurde er später "der Schindele" genannt. Da seine Frau als Hebamme tätig war, wurde mancher Eutinger von seiner ersten Minute an mit der Familie Enchelmayer bekannt.

Schon im Gründungsjahr des Vereins wurde ein Krankenwagen angeschafft. Die Finanzierung war zunächst problematisch. Um sie zu sichern wurden Anteilscheine ausgegeben, die je nach Kassenlage wieder zurückgekauft wurden. Der letzte von Pferden gezogene Krankenwagen stand bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs in der Kelter. Mitglieder des Roten Kreuzes wurden unentgeltlich mit dem Krankenwagen transportiert, Nichtmitglieder zahlten drei Mark für einen Transport nach Pforzheim. Die Alarmierung des Wagens konnte noch nicht so schnell wie heute erfolgen. Zunächst ging man in den Friseursalon von Karl Enchelmayer und sagte Bescheid; dann wurde der Pferdehalter benachrichtigt, der daraufhin sein Gespann einspannte. Nun wurden noch zwei bis drei Mann als Begleitung für den Transport geholt, die diese Fahrt ehrenamtlich durchführten.

Der erste Kolonnenführer war Eugen Vogel. Er hatte die schwere Aufgabe, die aktiven Mitglieder auszubilden und mit den nötigen Uniformen sowie der erforderlichen Ausrüstung zu versehen. Hier leistete der Männerhilfsverein ab 1900 eine unschätzbare Hilfe. Spötter äußerten damals beim ungewohnten ersten Auftreten der Kolonne in der Öffentlichkeit: "Der Schindele kommt mit seiner Heilsarmee". Der Spott verstummte bald, denn die Sanitäter konnten durch ihre Tätigkeit die Öffentlichkeit überzeugen und fanden Anerkennung. Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges hatte die Kolonne 20 gut ausgebildete Sanitäter. Diese wurden im Krieg zum Teil zum Dienst in Lazaretten eingezogen, die anderen mussten in Pforzheim beim Ausladen von Verwundeten Dienst tun.

Nach dem Kriege wechselte der Vorsitz des Männerhilfsvereins. Bürgermeister Huber leitete ihn nun. Karl Enchelmayer machte sich an den Wiederaufbau der Sanitätskolonne, und als 1921 Dr. Vögtle sich als erster Arzt in Eutingen niederließ, konnte er als Kolonnenarzt gewonnen werden. Er setzte neue Akzente in der Ausbildung. Durch intensive Werbung stiegen die Mitgliedsbeiträge und damit auch die Mittel, um die Kolonne besser auszurüsten. Im Depot waren allerlei Hilfsmittel zur Krankenpflege vorhanden, die von den Mitgliedern bei Karl Enchelmayer ausgeliehen werden konnten, unter anderem ein Glühlichtgerät, das auf Verordnung des Arztes in die Wohnung gebracht wurde.

Der erste Dentist in Eutingen war Eugen Rothfuß. Er übernahm 1932 die Kolonnenführung von Karl Enchelmayer, der seine Ämter nach 33-jähriger aktiver Tätigkeit altershalber zur Verfügung stellte. Eugen Rothfuß übte diese Tätigkeit bis 1967 aus. Als er sein Amt übernahm, wusste er noch nicht, welch turbulente Zeiten vor ihm liegen würden.