Geschichte 1934 - 1945
Die Machtübernahme der Nationalsozialisten in Deutschland hatte Auswirkungen auf das Vereinsleben des Männerhilfsvereins und der Sanitätskolonne. Hier möchte ich die zwei letzten Eintragungen im Protokollbuch von 1933 und 1934 zitieren:
Ausschusssitzung im Lokal am 12. Oktober 1933
Der Vorstand eröffnet die Sitzung mit folgender Tagesordnung:
I. Gleichschaltung
II. Rotkreuztag
I. Durch den nationalen Umsturz ist ja jedem Verwaltungsrat-Mitglied bekannt, dass innerhalb der Vereinsleitung eine Gleichschaltung laut Vorschrift vom Landes-Verband vorgenommen werden muss, und diese Vorschrift lautet, dass ein eingeschriebenes ortsansässiges Mitglied der N.S.D.A.P in der Verwaltung sein muss, da aber kein Verwaltungsrats-Mitglied bei der Ortsgruppe der N.S.D.A.P eingeschrieben ist, so hat die Ortsgruppe der N.S.D.A.P das Recht, ein eingeschriebenes ortsansässiges Mitglied der N.S.D.A.P in die Verwaltung einzusetzen. Da aber Kolonnen-Arzt Herr Dr. Voegtle und Kolonnenführer Herr Dentist Rothfuß in ihren Fachschaften der NSDAP angehören, so will Herr Rothfuß mit dem Ortsgruppenführer der NSDAP Herrn Issel, über diese Gleichschaltung unterhandeln, mit dem Wunsche die Verwaltung möge beisammenbleiben wie bis jetzt, und ob die Ortsgruppe der NSDAP damit einverstanden ist oder nicht.
Über den Ausgang der Verhandlungen liegen keine Erkenntnisse vor. In einer weiteren Sitzung am 31.02.1934 wurde bekannt gegeben, dass bis auf weiteres keine Generalversammlungen stattfinden sollen, laut Befehl des Landesverbandes vom Roten Kreuz in Karlsruhe. Hiermit endeten die Eintragungen im Protokollbuch.
Als am 10. September 1933 die Rot-Kreuz-Kolonnen auf dem Marktplatz in Pforzheim auf den "Führer" vereidigt wurden, war schon während der Vereidigung Sirenengeheul zu hören. Die Nachricht vom Großbrand in Öschelbronn breitete sich aus. Die Eutinger leisteten vier Tage Hilfe im Nachbarort, zusammen mit den Kolonnen Niefern und Pforzheim. 1933 wurden die Sanitätskolonnen in Sanitätsbereitschaften umbenannt. Damit konnte man noch leben. Doch 1935 musste der Männerhilfsverein aufgelöst werden und das vorhandene Gerät wurde von der NSV (Nationalsozialistische Volkswohlfahrt) übernommen. Die alten Aktiven mussten ausscheiden und durften keinen Rot-Kreuz-Dienst mehr leisten. Es war auch von der Partei die Unvereinbarkeit von Mitgliedschaft in der SS oder SA und im aktiven Dienst des DRK ausgesprochen worden. So meldeten sich mehrere Aktive von der Bereitschaft ab, wie Dokumente belegen (siehe nächstes Bild).
1937 wurde eine weibliche Bereitschaft vom Roten Kreuz gegründet. Die erste Bereitschaftsführerin, Klara Buch, baute diese Bereitschaft zusammen mit Dr. Voegtle auf. Als am 01.09.1939 der zweite Weltkrieg ausbrach, wurden die weiblichen Bereitschaften aufgerufen, in den umliegenden Gemeinden die durchmarschierenden Truppen zu betreuen. Während des Krieges wurden die Aktiven im Luftschutz ausgebildet. Außerdem mussten zwei Prozent der Bevölkerung in Erster Hilfe ausgebildet werden. Dies gab Kurse mit 30 - 40 Teilnehmern. Mit Beginn der Bombenangriffe auf Pforzheim entstanden neue Aufgaben. Bei jedem Angriff mussten sich die Vertreter von Gemeinde, DRK und Luftschutz im Rathaus treffen, um geeignete Maßnahmen einzuleiten.
Der 23. Februar 1945 brachte mit der Zerstörung der Stadt Pforzheim sehr großes Leid über die Betroffenen. In einem Bericht von jenem Schicksalstag lesen wir: Mit Beendigung der Flugzeuggeräusche kamen alle Kameradinnen und Kameraden ins Rathaus. Mit 10 Mann rückte die Kolonne nach Pforzheim aus, um Hilfe zu leisten, die Älteren und die weibliche Bereitschaft blieben in Eutingen. Während in Eutingen viel zu tun war, konnte in Pforzheim zunächst keine Hilfe geleistet werden. Ein Flammenmeer, einstürzende Mauern sowie ein Feuersturm machten es unmöglich, in die Stadt einzudringen. Selbst das Städtische Krankenhaus konnte nicht erreicht werden. Unbefriedigt, dass wir nicht helfen konnten, traten wir den Heimweg an, um am anderen Morgen bei Tagesanbruch zu helfen, soweit wir konnten. Es war ein trostloses Bild, das sich uns darbot, aber wir konnten Hilfe leisten. In Kellern waren noch die Menschen, die den Angriff überlebt hatten, aber so unter Schock standen, dass sie unfähig waren zu gehen. Wir konnten den uns allen bekannten Kolonnenführer Hirth aus seinem Keller befreien und mit ihm zwei ältere Frauen. Beim Forsthaus an der Theaterstraße fand sich ein Platz, an dem wir 10 Personen zuerst niederlegen konnten um nach weiteren Menschen zu suchen. Nach der Betreuung wurde sofort mit dem Abtransport begonnen und über Bombentrichter und Trümmersteine zum "Zähringer Löwen" in die Hohenzollernstraße getragen. Von dort erfolgte der Abtransport nach Bauschlott.
In Eutingen begann eine lange Betreuungsarbeit. In der Zeit vom 14.03.1945 bis 11.07.1946 übernachteten im Depot in der Enzstraße rund 3000 Menschen, die auf der Suche nach vermissten Angehörigen in Pforzheim waren. Eugen Rothfuß hatte 12 Notbetten gekauft und sie im Depot aufgestellt. Das Depot war Tag und Nacht besetzt, da zu jeder Zeit Besucher eintreffen konnten. Nach dem Einmarsch der Franzosen gab es zwar ein Ausgangsverbot, aber die Helferinnen gingen in ihrer Tracht auf die Straße um bei den Bauern Milch für Säuglinge oder Schwerkranke zu organisieren. Unvergesslich ist auch für alle Beteiligten ein Krankentransport geblieben, bei dem 4 Verletzte aus Eutingen über die Redtenbacher Straße ins Krankenhaus St. Trudpert getragen werden mussten. Während des Krieges wurden die an der Front stehenden Eutinger Rotkreuzhelfer von ihren Kameraden und Kameradinnen aus der Heimat betreut, was durch vorhandene Briefe belegt wird. Eingesetzt waren sie in Lazaretten in Krakau, Lemberg, Lublin, Warschau und Przemysl. Kontakte wurden auch zum Prisoner of War-Camp in Roswell New-Mexico USA gepflegt. Da in Deutschland auch im Krieg fleißig Statistiken ausgefüllt wurden, haben wir noch Unterlagen über die Einsätze vom 1.10.1939 bis 28.10.1944. Hier werden von den Eutingern rund 11000 Einsatzleistungen der verschiedensten Art dokumentiert.